Als Anchorman des „heute journal“ informierte uns Prof. Dr. Claus Kleber fast zwei Jahrzehnte lang über das Geschehen in der Welt. Dabei ist er nicht nur auf dem nationalen Parkett zu Hause, sondern gilt als einer der besten Kenner der US-amerikanischen Politik und Medienlandschaft.
In seiner Keynote „Die Zukunft wird ein Wahnsinn – wie Silicon Valley das Schicksal der Menschheit steuert“ auf dem Aareon Kongress 2022 gewährt er einen exklusiven Einblick in seine aktuelle Reportage, die basierend auf dem 2016 erschienenen Film „Schöne neue Welt“ ein Update über die Auswirkungen und Entwicklungen der neuesten Tech-Trends aus dem Silicon Valley gibt – speziell aus europäischer Sicht. Neben dem schillernden Faszinosum Silicon Valley geht es dem Journalisten dabei vor allem um die Bedeutung, die die bahnbrechenden Technologien für Menschheit und Menschlichkeit haben.
Bereits 2016 waren Sie für den Dokumentarfilm „Schöne neue Welt“ im Silicon Valley und haben dort viele Pioniere interviewt. Wie war Ihr Eindruck nun fünf Jahre später, als Sie für Ihre neue Reportage zurückgekehrt sind? Welche Entwicklung, welche Technologie hat Sie am meisten überrascht oder auch fasziniert?
Es hat sich vieles verändert, der Fortschritt ist rasant weitergegangen, aber mir fiel vor allem die veränderte Stimmung auf. 2015/16 stießen wir auf Zuversicht und ein fast unbändiges Selbst bewusstsein. Wenn die Tür erst einmal geöffnet wurde – was alles andere als einfach war –, gab es auch große Lust, mit uns zu sprechen. Man hatte ja etwas Großartiges zu verkaufen.
Aber dann kamen schnell hintereinander die Erfolge der Brexit-Bewegung in Großbritannien und die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA. Beides wäre wohl ohne die sogenannten Sozialen Medien, die Werkzeuge und Geschöpfe von Silicon Valley nicht möglich gewesen. Seitdem ist es sehr viel schwieriger geworden, in diese Betriebe hineinzukommen. Dabei sind die Entwicklungen dort noch aufregender geworden.
Prof. Dr. Claus Kleber
Sie haben für Ihre erste Reportage über das Silicon Valley Astro Teller, den Leiter von Google X, interviewt. Der sagte, auch wenn die digitale Revolution die Menschen überfordert, sei es effektiver, die Gesellschaft an die Technologie anzupassen, als umgekehrt. Welche moralischen und gesellschaftlichen Folgen ergeben sich dadurch Ihrer Meinung nach?
Astro ist ein faszinierender Kerl, umfassend gebildet und hoch dynamisch. Ich fand ihn beeindruckend. Er kann einen großen Beitrag für technischen Fortschritt leisten. Aber es muss Grenzen geben für das, was solche Zauberlehrlinge machen. Wir müssen darauf drängen, dass technische Entwicklungen, die unsere gesamte Gesellschaft grundstürzend verändern werden, nicht allein den Ingenieur*innen und Risiko-Kapitalgebern überlassen werden dürfen. Die Gesellschaft, wir alle, müssen Rechenschaft einfordern und Raum für Überlegung und Steuerung schaffen.
Prof. Dr. Claus Kleber
Im Film „Schöne neue Welt“ werden Forderungen laut, die technologischen Möglichkeiten des Silicon Valley einzuschränken, um ein moralisches Minenfeld zu vermeiden. Gleichzeitig scheint die Legislative zu behäbig zu sein, um darauf angemessen reagieren zu können. Wie schätzen Sie den Mangel an Regulation durch Washington in Bezug auf das Silicon Valley und dessen immer weitergreifende Technologie- Innovationen ein? …