Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Wenige Tage vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe, am 28. Juli, war Erdüberlastungstag. Das ist jener Tag des Jahres, ab dem die Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen die Kapazität zu deren Reproduktion übersteigt. Die Menschheit lebt ab da auf Kosten zukünftiger Generationen. In Österreich war dieser Punkt schon am 6. April erreicht, in Ecuador wird es erst am 5. Dezember so weit sein.

Wenn wir uns in dieser Ausgabe von WohnenPlus die Frage nach den „richtigen“ Materialien für den Wohnbau stellen, dann müssen wir auch die Frage danach stellen, wie viel davon wir einsparen können. Jeder Festmeter Holz, jeder Kubikmeter Beton, der nicht benötigt wird, hilft uns, den Klimazielen näher zu kommen.

„Wir müssen wieder einfacher bauen“, fordert der Münchner Architekt Florian Nagler und zeigt an einem Haus aus Beton, einem aus Holz und einem aus Ziegel vor, wie das ohne Folien, ohne Stahl und ohne Wärmedämmverbundsystem geht. Die Komplexität unserer aktuellen Bauweisen überfordere Planerinnen und Planer, Firmen und schließlich jene, die die Gebäude nutzen. Einfacher heißt auch dauerhafter und weniger wartungsintensiv. Und nicht zu vergessen: Alles, was wir heute an Billigem verbauen, um das Wohnen leistbar zu machen, kann schon die Generation nach uns durch exorbitante Entsorgungskosten arm machen.

Diese Zeilen schreibe ich von unterwegs, aus einem Haus, das bald 500 Jahre alt sein wird. Über Jahrhunderte diente es als Bank- und Handelshaus, heute beherbergt es drei Läden, ein städtisches Amt, ein Architekturbüro und ein feines, kleines Hotel. Selbstverständlich ist nicht mehr alles im Original erhalten und das Haus wurde den Erfordernissen der Zeit angepasst, aber es steht prächtig da wie eh und je. Dass es dies tut, liegt natürlich an jenen, denen es anvertraut war, die es von Generation zu Generation pfleglich behandelt haben und von denen nie jemand von der Hybris beseelt war, es zerstören zu müssen, um es durch etwas Wirtschaftlicheres zu ersetzen.

Warum? Gewiss, weil es schön ist, gewiss, weil es robust und reparaturfreundlich ist und sicher auch, weil die jeweiligen Eigentümer ausreichend Bildung besaßen, dies zu erkennen. Würden heute alle nach diesen Maßstäben arbeiten, würde das nicht nur das Datum des Erdüberlastungstags weit nach hinten schieben, wir hätten auch schönere Städte und Ortschaften. Und die sind das wahre Plus des Wohnens. Egal, aus welchem Material, Hauptsache, es erfreut uns und hat lange Bestand. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude und Erkenntnis bei der Lektüre unseres Heftes.

Ihre Franziska Leeb

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