Die Bundesregierung hat die Reißleine gezogen. Mit ihrer Entscheidung, nach dem Strompreis auch den Gaspreis zu deckeln, sind die Politikerinnen und Politiker von SPD, Grünen und FDP die Flucht nach vorn angetreten. Zu groß war der politische Druck geworden – aus dem In- und aus dem Ausland, wo in einigen Ländern längst gedeckelt wird.
Vor allem aber dürften viele Ankündigungen von Energieversorgern, mit Beginn der Heizperiode am 1. Oktober die Abschlagszahlungen für Heizenergie zum Teil drastisch zu erhöhen, und der wachsende Druck „von der Straße“ die Regierenden wachgerüttelt haben. Es wird interessant, was die nun eingesetzte Kommission bis Mitte dieses Monats zur Ausgestaltung des Gaspreisdeckels herausfinden wird.
Die sozialen Vermieter haben seit Monaten eine Deckelung der Energiekosten gefordert. Nicht, weil wir meinten, wir seien klüger. Vielmehr erleben im VNW organisierte Wohnungsunternehmen schon länger die wachsende Verunsicherung unter der Mieterschaft. Viele Menschen fragen sich, wie sie angesichts explodierender Energiepreise in den kommenden Monaten mit ihrem Geld auskommen sollen.
Wir stehen mitten in einem Wirtschaftskrieg und werden mit Energiepreisen angegriffen. Die Folgen sind gravierend und werden vor allem für jene schmerzhaft, die sich zwischen einer warmen Wohnung und einem Lebensmitteleinkauf entscheiden müssen. Die Beschlüsse der Bundesregierung waren ein erster Schritt hin zu einer Beruhigung der Menschen. Jetzt gilt es, dass in den Bundesländern ein zweiter und ein dritter Schritt folgt. Für Erleichterung dürfte die Ankündigung eines Gaspreisdeckels aber auch bei einer Reihe von Wohnungsunternehmen gesorgt haben. Manchen von ihnen drohte auf Grund der in kurzer Zeit drastisch erhöhten Abschlagszahlungen ein finanzieller Engpass. Zwar würden sie das Geld bei der Heizkostenabrechnung von den Mieterinnen und Mietern zurückerhalten. Aber bis dahin wäre es eng geworden – für einzelne vielleicht sogar zu eng.
Wie auch immer: was jetzt kommen muss, ist ein Energiepreisdeckel, der einfach ist und hilft. Denkbar wäre es, den bundesweiten Durchschnittsverbrauch pro Kopf der vergangenen zehn Jahre zu nehmen und 80 Prozent davon zu einem günstigen Preis zur Verfügung zu stellen. Für das, das darüber hinaus bezogen wird, muss der aktuelle Marktpreis bezahlt werden. Damit würde zweierlei gelingen: Zum einen könnten die Menschen beruhigt dem Winter entgegenblicken, weil sie wissen, sie können die Heizung aufdrehen, ohne den eigenen finanziellen Ruin zu riskieren. Zum anderen bliebe ein Anreiz zum Einsparen der restlichen 20 Prozent. Für jene, die Wohn- und Heizkosten vom Staat gezahlt bekommen, könnte das etwas abgeändert auch gelten: sie bekämen eine Bonuszahlung, wenn sie 20 Prozent einsparten.
Denn eines bleibt trotz des angekündigten Gaspreisdeckels eine Herausforderung: Reichen Gas und Strom, um auch über einen harten Winter zu kommen? Die zweite Septemberhälfte war – zumindest im Norden – kühl und viele Menschen haben schon vor Beginn der Heizperiode die Heizung angestellt. Zwar sind die Gasspeicher gut gefüllt, aber Experten mahnen, beim Energiesparen nicht nachzulassen.
Es reicht aber nicht, immer nur die Menschen zu einer Verhaltensänderung aufzufordern. Auch die Parteien müssen eigene Grundsätze auf den Prüfstand stellen. Pragmatismus ist das Gebot der Stunde. Vorgaben über einen (zusätzlichen) hydraulischen Heizungsabgleich beispielsweise sind daher so überflüssig wie ein Kropf. Sie kosten viel, bringen aber (zu) wenig.
Stattdessen müssen wir alles vermeiden, was zusätzlich zu Heizung und Strom die Wohnkosten erhöht und Wohnungsunternehmen belastet.
Andreas Breitner
Vorstand und Verbandsdirektor
Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW)