Die Stadt Wien forciert eine eigenständige Interpretation des Begriffs „Smart City“. Dabei geht es nicht vorrangig um Techno- logie und Big Data, sondern um einen ganzheitlichen Blick auf die Stadt, um diese an die Herausforderungen der Klimakrise anzupassen und dabei die soziale Nachhaltigkeit im Fokus zu behalten.
ROBERT TEMEL
Richtschnur ist die „Smart-City-Wien- Rahmenstrategie“ mit den Themen Ressourcenschonung, Innovation, Lebensqualität und Governance, die 2014 vom Gemeinderat beschlossen wurde. Doch die ambitionierten Ziele dieser Strategie lassen sich nicht durch ein paar Pilotprojekte umsetzen, sie brauchen umfassende Eingriffe in die bestehende Stadt, und das bedeutet auch: Änderungen unseres Alltagsverhaltens.
Das ist zweifellos schwieriger, als in einem neu gebauten Stadtteil bei null zu beginnen. Das EU-geförderte Stadterneuerungsprojekt „Smarter Together – Gemeinsam g’scheiter“ ist ein Modell, um die Rahmenstrategie in die bestehende Stadtstruktur zu bringen.
Anwendungsfall ist ein Stadtteil in Simmering mit 21.000 EinwohnerInnen, bestehend aus Wohnbauten, Plätzen und Parks, Bahn- und Industriearealen, Schulen und Verkehrsknotenpunkten. Projektleiter Stephan Hartmann von der Magistratsabteilung 25 erklärt: „Es ging um ein typisches Quartier, in dem die verschiedenen Herausforderungen zusammenkommen: Gründerzeit-Häuser, Gemeindebau der Zwischenkriegszeit, Nachkriegsbauten und Schrebergärten.“
In diesem Gebiet sollen durch vielfältige Maßnahmen jährlich sechs Millionen Kilowattstunden Energie und 2.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden – ein durchaus relevanter Anteil der Rahmenstrategie-Ziele. Das ist anspruchsvoll, also muss ganzheitlich an dieses Ziel herangegangen werden. Verbesserungen in Energieeffizienz und Energieversorgung, Mobilität und Datenmanagement sind notwendig.
Derartiges braucht jedenfalls intensive Kommunikation, das ist ein wichtiger Ansatz der Wiener Variante von „Smart City“: Es geht darum, gemeinsam smart zu sein, also um Gespräche, Kooperation und Beteiligung. Die Bevölkerung des Stadtteils muss mitentscheiden, sie muss ihren Beitrag zur Ausrichtung des Projekts leisten, sie muss die Beeinträchtigungen während der Bauzeit akzeptieren – und sie muss mitmachen, um die angestrebten Einsparungsziele erreichen zu können.
Energie sparen und erzeugen
Im Rahmen von „Smarter Together“ wurden 40 Einzelprojekte umgesetzt. Dazu zählen die energetische Sanierung einer Genossenschaftsanlage der BWSG aus den 1980er Jahren in der Hauffgasse und zweier Gemeindebauten aus den 1960er und 1920er Jahren, letzterer unter Denkmalschutz – also das ganze Spektrum der Herausforderungen für die Sanierung. Es wurden jeweils Fassaden saniert, Photovoltaik-Anlagen errichtet und zusätzliche Wohnungen aufgestockt. Ergänzend gab es Verbesserungen im Freiraum und in der Erschließung der Wohngebäude.
So konnte durch Druckbelüftung der Hochhaus-Stiegenhäuser verhindert werden, dass man für eine neue Feuerwehrzufahrt einige der schönen Bäume zwischen den Wohnhäusern fällen muss.
Für die Sanierung der beiden Schulen am Enkplatz fand ein Architekturwettbewerb statt. Resultat war der Neubau von vier Nullenergie-Turnsälen und 16 neuen Klassen, der Einsatz von PV, Solarthermie und Geothermie und eine große, bunte Sportfläche im Freien. Parallel dazu entstand ein Bildungsgrätzl, und in Schulworkshops wurden Energie und Mobilität zum Thema.
Mobilität neu lernen
Die Sanierung in der Hauffgasse wurde mit einem neuen e-Carsharing-Angebot verknüpft, um das sich eine Mieter-Aktivgruppe kümmert. Wie Daniela Fiedler von wohnbund:consult feststellt: „Für ein solches Mobilitätsangebot im Wohnbau braucht es eine Gruppe vor Ort, die betreut, vermittelt und das Angebot in den Alltag integriert.
Die Aktivgruppe hat beispielsweise in der Coronazeit Erledigungen mit den E-Cars angeboten.“ Bei der U-Bahnstation Simmering installierten Wiener Linien als Prototyp eine WienMobil-Station mit multimodalen Mobilitätsangeboten: Es gibt sechs e-Bikes, ein e-Lastenrad, eine Ladestation für E-Cars, eine Carsharing-Station.
Ähnliche Stationen werden in den nächsten Jahren in ganz Wien entstehen, zwei weitere gibt es bereits. Die Post und Siemens stellten ihre lokale Betriebslogistik auf E-Gabelstapler und E-Zustellfahrzeuge um…